„Seriengestalten werden für den Leser zu Freunden“ | Western-Autor Dietmar Kuegler über die „Red Rock Ranch“ damals und heute

Bereits im letzten Blog-Eintrag ging es um die Rückkehr der beliebten Westernserie „Red Rock Ranch“. Schon in den frühen 1970ern gehörte unser Autor Dietmar Kuegler, damals unter dem Pseudonym John Gilmoor, zu den Stammautoren. In unserem Interview erinnert sich Kuegler an die Entstehungszeit der Serie. Sein Roman „Verdurstet!“ wird zum Neustart der Reihe beim BLITZ-Verlag in diesem Frühjahr neu aufgelegt.

BLITZ: Laut ihrem Nachwort des Romans „Verdurstet!“ war die Arbeit an der Serie „Red Rock Ranch“ in den frühen 1970ern Ihre erste Mitarbeit an einer Western-Roman-Serie. Wie kam es dazu?

Dietmar Kuegler | Verdurstet! | Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati

Kuegler: Ich war ein blutjunger Autor, der von Werner Dietsch „entdeckt“ und gefördert worden war. Ich glaube, ich war 18 Jahre alt. Werner Dietsch hatte mich ungefähr ein Jahr lang „beobachtet“ und mir seitenlange Briefe geschrieben, um meinen Stil zu verbessern und mir beizubringen, wie man einen Western-Roman systematisch aufbaut und ihm eine Struktur gibt. Voraussetzung war natürlich, dass man flüssig erzählen konnte. Der Plot der Geschichte musste überzeugend sein und genug Substanz haben, um über eine volle Manuskriptlänge Handlungstempo zu erzeugen.

Mein damaliges Pseudonym – John Gilmoor – kam übrigens auch von ihm; das hatte er mir gegeben.

Er beschrieb mir exakt, wie man eine Story von Anfang an zu genau geplanten Höhepunkten führte, um die Spannung beim Leser über den ganzen Roman hin nie abreißen zu lassen. Die Dramaturgie war entscheidend. Davon hatte ich am Anfang kaum eine Ahnung. Ich entwarf gute Geschichten, neigte aber dazu, mein Pulver „zu schnell zu verschießen“, wie man so sagte, und manchmal zu viel Leerlauf zu haben. Er brachte mir das „Timing“ bei, beschrieb mir, wie man durch den Abbruch von Szenen und Rückblenden den Leser mit Spannungsmomenten von Anfang bis zum Ende „bei der Stange“ hielt.

Nach etwa einem Jahr sagte er mir, er habe eine neue Western-Serie vorbereitet. Er fragte, ob ich interessiert sei. Und ob ich das war. Das war ein Vertrauensvorschuss für einen Newcomer; denn von diesen Serien hing in der damaligen Verlagsszene viel ab. Wenn sie sich etabliert hatten, konnten sie jahrelang laufen und den Verlagen sichere Einnahmen generieren. Also wurden in der Regel erfahrene Autoren eingesetzt, die die Routine hatten, die handelnden Figuren zu Ikonen zu machen und jede Woche die Leser an die Zeitungskioske zu locken.

Ich ging ziemlich unbefangen an die Arbeit, aber ich merkte schnell, dass es einen Unterschied zu Einzelgeschichten gab, dass man die Hauptfiguren so präsentieren musste, dass sie zu Identifikationsgestalten für die Leser wurden.

BLITZ: Wie lief damals die Arbeit an den Romanen ab, wie die Zusammenarbeit mit dem Redakteur und den anderen Autoren?

Kuegler: Im Gegensatz zu den Serien RONCO und LOBO, die ich später als Konzeptredakteur gestaltet habe, gab es bei der RED ROCK RANCH keine Vorgaben für die Geschichten, sondern nur für die Hauptfiguren. Werner Dietsch lieferte den Autoren detaillierte Charakterisierungen, auf die man bei jedem Roman zurückgreifen musste. Dabei musste jeweils das Verhalten der Hauptfiguren mit dem vorgegebenen Rahmen genau übereinstimmen. Die Figuren mussten immer wiedererkennbar sein, nicht nur durch ihre Namen und ihr Aussehen, sondern auch durch ihr Verhalten.

Romanfiguren neigen bei den meisten Autoren dazu, während des Schreibvorgangs ein gewisses Eigenleben zu entwickeln. Bei einer Serie müssen sie aber im Verlauf der Geschichten immer sie selbst bleiben, so wie sie von Grund auf angelegt sind. Ein Mann, dessen Beschreibung ein ruhiges, ausgleichendes Wesen vorsieht, darf nicht in einer Stresssituation plötzlich ausrasten. Ein Mann, der von Natur aus immer die Übersicht hat, darf nicht plötzlich ratlos wirken. Eine Frau, die sich immer ihres Platzes im Leben bewusst ist und entschieden ihren Weg geht, darf nicht bei einem anderen Autor zum hilflosen „Hascherl“ werden. Eine Person, die feste Prinzipien hat, darf nicht beliebig handeln. – Das sind nur Beispiele. Aber die sind wichtig, um einer Serie eine Linie zu geben. Das kann nicht jeder Autor.

Ich habe später in meinen eigenen Serien zusammen mit den Story-Exposés jedem Autor auch genaue Richtlinien an die Hand gegeben, wie die wichtigen Figuren zu agieren haben, um sie zu tragenden Rollen von Geschichten zu machen, so dass nicht von einem Autor zum anderen Brüche in der Lebensführung auftauchten.

All das habe ich von Werner Dietsch gelernt. Die Zusammenarbeit mit ihm war immer vertrauensvoll und eng, wurde später sogar freundschaftlich. Mit den anderen Autoren hatte ich damals keine Berührung, weil man ja jede Geschichte selbst entwarf. Die Klammern einer Serie wie RRR waren die Figuren, die bei jedem Autor einheitlich zu präsentieren waren.

Natürlich habe ich damals auch ab und zu Kritik von Werner Dietsch bekommen. Aber das geschah immer in einer kollegialen Weise, die mich vorangebracht hat, aus der ich lernen konnte. Niemals demotivierend oder verletzend. Immer aufbauend.

Ich gebe jetzt einmal auszugsweise einen der Briefe frei, die Werner Dietsch mir jungem Spund damals schrieb und in denen er mich auf Anfängerfehler hinwies. Diese Briefe konnten 10 Seiten lang sein. Manchmal brummte mir der Schädel. Aber ich wollte es schaffen, zum Berufsautor zu werden, also habe ich seine Zeilen wieder und wieder gelesen und umgesetzt. Leider gibt es solche Lektoren nicht mehr, die Autoren systematisch zum Erfolg führen. Ich will aber nicht ungerecht sein – die Zeiten haben sich sehr geändert. Die Technik ist eine andere, das Geschäft hat sich gewandelt, der Status der Autoren ist nicht mehr so wie früher. Werner Dietsch war zudem eine einmalige Persönlichkeit.

BLITZ: Wie fühlt es sich heute an, sich wieder mit dieser frühen Arbeit zu beschäftigen? Können Sie beschreiben, wie sich Ihr Schreibstil der frühen 1970ern von Ihrem heutigen Stil unterscheidet?

Kuegler: Da ist natürlich erst einmal Nostalgie, manchmal sogar Sentimentalität – das gestehe ich ganz offen ein. Dann fühle ich mich bei manchen Geschichten, bei manchen Gestalten stark an die damalige Arbeitsweise erinnert. Die vielen Telefonate, die ich mit Werner Dietsch geführt habe, werden lebendig. Ich kann gelegentlich sogar seine Stimme hören, die sich bei mir eingeprägt hat. Seine Stimme war nicht sehr tief. Er sprach in der Regel schnell, mit starkem sächsischem Dialekt. Er hatte einen spontanen, überraschenden Humor, wenn er mich auf Fehler hinwies. („Sie benutzen Dialoge, als seien sie rationiert. Mehr Dialoge, bitte! Lassen Sie die Figuren mehr reden, das macht eine Story lebendig. Sprechen ist nicht verboten.“)

Aber auch, wenn er über Kollegen sprach und mir Anekdoten über die Zusammenarbeit mit anderen Autoren erzählte, flackerte diese Redegewandtheit auf. Er war enorm eloquent – kein Wunder, dass er seine Romane in der Regel diktierte.

Das alles wird für mich plötzlich wieder wach. Das kann erheiternd, nachdenklich, gelegentlich auch traurig stimmen. Am liebsten würde ich dann zum Telefon greifen und ihn anrufen. An manche Gespräche kann ich mich Wort für Wort erinnern.

Seither – eigentlich schon in den unmittelbaren Folgejahren – ist mein Schreibstil knapper geworden, prägnanter, konzentrierter. Ich neigte am Anfang meiner Kariere dazu, Endlossätze zu schreiben, immer mit „Und“ oder „Oder“ verbunden. Furchtbar. Das waren manchmal Sätze, die über 8 – 10 Zeilen gingen. Ich bildete mir ein, das sei „literarisch“. Das hat Werner Dietsch mir ausgetrieben. Ich habe mir dann einen härteren, lakonischen Stil angewöhnt. Die Dialoge wurden geschliffener, schneller, direkter, manchmal auch kälter. Beschreibungen von Personen und Landschaften kommen – bis heute – schnell auf den Punkt. Komplexe Charaktere oder überwältigende Landschaften kann man mit treffenden Worten sehr kurz umreißen, ohne die Wirkung zu verringern. Keine Schwafeleien. Eine knappe Beschreibung regt die Fantasie des Lesers an, anstatt ihn mit einem Dutzend Schachtelsätzen über die Gnadenlosigkeit einer Wüste, die übermächtige Schönheit der Rocky Mountains totzuschreiben, zu langweilen oder zu ermüden. Ich habe gelernt, mit wenigen Strichen Bilder im Kopf des Lesers zu erzeugen.

Das kommt mir, nebenbei gesagt, heute auch bei meinen Sachtexten zugute. Ich verliere mich nicht mehr in schwülstigen oder bombastischen Präsentationen, um zu beweisen, was ich für einen großen Wortschatz habe. Einfache, klare, schnelle Sätze, die „sitzen“ müssen. Das erzeugt Tempo und Spannung, das spricht dafür, dass ich mein Thema beherrsche.

Eine Szene mit drei Sätzen zu beschreiben ist besser – aber auch schwieriger – als mit 10 Sätzen. Aber diese Anfängerfehler unterlaufen jedem, weil man meint, dem Leser alles vorkauen zu müssen. Weil man glaubt, „Monumentalgemälde“ schaffen zu müssen. Muss man nicht. In der Kürze liegt die Würze, und in treffenden Worten. Das ist letztlich eine Frage der Entwicklung, der Erfahrung, der Bilder, die man beim Schreiben selbst im Kopf hat. Das habe ich von Dietsch gelernt.

BLITZ: Ebenfalls schreiben Sie im Nachwort, dass es Ihnen ohne die Erfahrungen, die Sie als RRR-Autor gesammelt haben, vielleicht nicht möglich gewesen wäre, später selbst Serien wie RONCO oder LOBO zu kreieren. Können Sie das näher ausführen?

Autor Dietmar Kuegler | Foto: privat

Kuegler: Das habe ich zum Teil schon in den vorigen Antworten getan. Ich habe gelernt, dass eine Serie von der Wiedererkennbarkeit lebt, von der Identifikation mit den Figuren, von deren konsistentem Verhalten. Seriengestalten werden für den Leser zu Freunden, fast zu einem Teil der „Familie“. Der Leser nimmt Anteil, folgt dem Helden, fiebert mit ihm, will immer wissen, wie es weitergeht. Entsprechend habe ich später meine Exposés aufgebaut. Man erzeugt ein Kopfkino, für das ich nicht nur „Drehbuchschreiber“, sondern auch „Regisseur“ war. Manche Leute, die später Exposés von mir gelesen haben, haben gesagt: „Hier brauchte man ja nur noch Dialoge und ein paar Beschreibungen einzufügen. Diese Konzepte sind schon halbe Romane.“ Das stimmte. Das hat meines Erachtens auch den Erfolg ausgemacht, weil für den Leser eine Umgebung geschaffen wurde, in der er sich selbst immer wiederfinden konnte. Und trotzdem gab es ständig überraschende Wendungen. Aber Wiedererkennung durch charakterliche Verhaltensweisen der handelnden Gestalten schafft beinahe eine Art „Suchtfaktor“.

BLITZ: Was denken Sie darüber, dass neben Klassikern der RRR-Reihe nun auch neue Romane, die auf der Red Rock Ranch spielen, beim BLITZ-Verlag erscheinen?

Kuegler: Das zeigt, dass diese „alten“ Konzepte noch immer Potential haben. Wenn man damals eine Serie machte, dachte man in längeren Zeitperioden. Die Produktion und die Investition in ein Serienprojekt kostete Geld. Natürlich gab es Pleiten, bei denen die Ideen durchaus langfristig angelegt waren, aber die Leser nicht darauf ansprangen. Dann verschwanden sie nach einem halben Jahr wieder vom Markt. Das war nicht so angenehm für die Verlage, gehörte aber zum Geschäftsrisiko.

In der Regel hoffte man auf 2, 3 oder 5 Jahre Laufzeit; wenn möglich länger. Dafür musste man Leserbindung schaffen.

Wir betrieben damals keine Marktforschung, wir gingen nach unserem Instinkt vor, aber es war natürlich viel Erfahrung im Spiel, wenn ein neues Konzept entstand. Die Frage war immer, ob eine neue Gestalt, ob eine Hintergrundgeschichte, wirklich serientauglich war und den Atem hatte, einen Marathon durchzuhalten, oder ob die tragenden Elemente nach 10 oder 20 Romanen ausgelaugt waren. Dieses Potential zu erkennen, machte die Fähigkeit eines guten Redakteurs oder Chefredakteurs aus, weil es für eine geschäftlich sichere Konstante und damit für Stabilität im gesamten Programm sorgte. Darüber wurde in Redaktionsgesprächen manchmal hin und her diskutiert. Ich hatte mehrfach das Glück, einen für Innovationen offenen Chefredakteur zu haben, der – genau wie ich selbst – ein bisschen verrückt war und einen sicheren Instinkt für Leser-Emotionen hatte. Auch von dem habe ich viel gelernt.

Bei der RED ROCK RANCH waren für Werner Dietsch die Figuren entscheidend. Die Arbeit auf einer Pionier-Ranch war die konstante, gleichförmige Kulisse, die den Rahmen setzte und zu der man immer zurückkehren konnte. Aber die Bandbreite, mit der die handelnden Figuren positiv wie negativ einsetzbar waren und mit ihren Stärken und Schwächen agierten und Akzente setzten, versprach eine langfristige, facettenreiche Wirkung. Nach diesem Rezept funktionierten auch TV-Serien wie Bonanza oder Shilo Ranch.

Trotz allem sage ich, die Lesergemeinde ist nicht mit letzter Sicherheit zu berechnen. Auch eine überzeugende Idee kann beim Publikum durchfallen, wenn die Autoren nicht den richtigen Ton treffen oder das Konzept nicht mit Leben füllen können. Bei allem Einfühlungsvermögen, bei aller Erfahrung – wenn der Funke nicht überspringt, bleibt das alles Theorie. Man muss die Herzen der Leser erreichen. Dafür muss man authentisch und glaubwürdig sein. Die Leser spüren, ob einer seine Geschichte und seine Figuren mit Überzeugung rüberbringt oder nur seine Texte runterschreibt, um die notwendigen Seiten zu füllen. Sie fühlen, ob man ihnen etwas vormacht. Abenteuerromane leben von starker Emotion, von Atmosphäre, von Charisma. Diese Emotion muss ehrlich sein. Ich habe damals bei Werner Dietsch gelernt, mit meinen Romanfiguren zu leben, zu leiden oder mich zu freuen. Ich habe mich vollständig auf den Western und seine Welt eingelassen. Mein Leben lang. Wenn es ein Erfolgsgeheimnis gibt, dann war es für mich diese innere Einstellung. Die heutigen Neuauflagen sind für mich eine Art Bestätigung meiner Herangehensweise.

„Verdurstet!“ ist im Shop des BLITZ-Verlags erhältlich.