Mitte der 1970er erhielt die Figur des Halbbluts Lobo, bekannt aus den „Ronco‟-Romanen, eine eigene Buchreihe. In diesem Frühjahr sind nun auch im BLITZ-Verlag zwei Romane erschienen, die Lobo in den Mittelpunkt der Handlung setzen und den Grundstein zu einer eigenen „Lobo‟-Reihe bei BLITZ legen. Zu diesem Anlass sprachen wir mit dem Autor Dietmar Kuegler, der in den 1970ern Lobos ersten Solo-Roman verfasste, der nun auch den Einstieg zur BLITZ-Reihe darstellt. In dieser Neuauflage von „Ausgestossen‟ hat Dietmar Kuegler in einem umfangreichen Nachwort die Entstehung der Figur Lobo und den Beginn der Serie aus seiner Erinnerung geschildert. Auf den inneren Umschlagseiten sind Original-Exposés aus dieser Zeit abgedruckt, die Einblick in die damalige Arbeitsweise geben.
BLITZ: Die Romane um „Lobo‟ sind ein Spin-Off zur Serie „Ronco‟. Wie kam es dazu, dass die Figur Mitte der 1970er eine eigene Reihe erhielt, war sie besonders beliebt bei den Lesern?
Kuegler: Das war der Punkt überhaupt. Die Grundidee von mir war, dass RONCO nicht ein ständiger „Einzelkämpfer“ bleiben sollte. Der Chefredakteur Kurt Bernhardt fand es gut, RONCO einen Freund an die Seite zu stellen. Mein Gedanke war, diese Gestalt „härter“ darzustellen, mit mehr Ecken und Kanten. RONCO hatte trotz seiner Frustrationen, Rückschläge und Kämpfe immer noch starke Züge von Mitleid und Rücksichtnahme. Er hatte immer noch den Traum von einem Leben in Frieden und Bürgerlichkeit, ohne ständigen Kampf. Er glaubte an Gerechtigkeit, wollte eine Familie.
LOBO sollte ein Mann sein, der die Bitterkeit der Welt in sich trägt, der seinen Glauben an die Menschheit verloren hatte, nichts mehr erwartete und auf jede Gegnerschaft schroff reagierte. Er hatte nur Ablehnung und Feindschaft erlebt. Für ihn war Kampf die Normalität. Er zögerte nicht, sich zu nehmen, was sich ihm bot, und er glaubte nicht mehr an das Gute und schon gar nicht an Gerechtigkeit.

Was niemand erwartet hatte, ich auch nicht, war die Popularität, die LOBO gewann. Es dauerte nur wenige Wochen, dann waren die RONCO-Romane, in denen LOBO auftauchte, die absoluten Favoriten. Und wie es dann in diesem schnellen Geschäft in den 1970er Jahren war – Bernhardt verlangte von mir ein Konzept für eine eigene LOBO-Serie.
Das LOBO-Taschenbuch, das jetzt bei BLITZ herausgekommen ist, war der „Pilot-Roman“, und der übertraf alle anderen STAR-Western-Taschenbücher. Die STAR-TB waren generell eine gut laufende Reihe, bei der es kaum Rückflüsse aus dem Handel gab. Aber LOBO war innerhalb kurzer Zeit ausverkauft. Es war ein Versuch, der ein sofortiger Erfolg war.
BLITZ: Auf den Covern der damaligen Heftromane erinnerte Lobo an den Schauspieler Charles Bronson. War dies eine künstlerische Entscheidung des Titelbildzeichners oder waren der US-Schauspieler und seine Rollen auch für die Autoren das Vorbild für die Figur des Lobo?
Kuegler: Ehrlich gesagt, wer die Entscheidung über das Motiv-Vorbild letztlich traf, weiß ich nicht mehr. Es könnte Kurt Bernhardt gewesen sein, der ein Faible für die harten, gebrochenen Typen hatte. Es kann auch sein, dass mein Grundkonzept, in dem ich die LOBO-Figur natürlich auch äußerlich charakterisiert habe, als Identifikation mit Charles Bronson gesehen wurde. Es ist nicht unmöglich, das Günter König den Vorschlag von sich aus machte, nachdem er über die Figur des LOBO informiert worden war. Ich habe damals nicht an Bronson gedacht, aber er hat durchaus mit meiner visuellen Vorstellung korrespondiert. Und die Titelbilder von König waren zweifellos ein Markenzeichen der Serien RONCO und LOBO. Die Leser haben die Gleichsetzung LOBO–Bronson auch sofort akzeptiert.
BLITZ: Den lange Zeit unschuldig verfolgten Ronco und das Halbblut Lobo verbindet die Tatsache, dass sie beide gesellschaftliche Außenseiter sind. Denken Sie, dass im Wildwest-Genre die Abenteuer von Außenseitern generell spannender sind und besser funktionieren?
Kuegler: Das ist fast eine philosophische Frage, über die ich damals nicht lange nachgedacht habe. Ich war jung und habe nach meinem Instinkt gehandelt. In der Erstellung der Konzepte lag wenig Berechnung. Es gab keine Markt- oder Leseranalysen, die mir gesagt haben, dass ich bestimmte Elemente einsetzen muss, um Erfolg zu haben. Ich habe mich in der Regel an das gehalten, was ich persönlich gut fand und glaubwürdig vertreten konnte.

Aber nach den jahrzehntelangen Erfahrungen sage ich Ihnen, dass es für einen Autor natürlich besser ist, eine Figur zu haben, die nicht zu sehr angepasst ist. Außenseiter bieten immer mehr Facetten und lassen sich auch besser darstellen. Sie brechen aus Normen aus, halten sich nicht an Standards, sind immer gut für Überraschungen. Das kann im Negativen wie im Positiven passieren. Schauspieler werden ihnen dasselbe sagen. Das Spektrum einer Figur wird größer, wenn sie nicht dem Standard entspricht.
Der Außenseiter wirkt glaubwürdiger, wenn er sture gesellschaftliche Schranken durchbricht. Man erwartet das sogar von ihm. Nach meinen heutigen Erfahrungen ist es auch so, dass viele Western-Leser sich eher mit dem Underdog identifizieren und in ihm den Helden sehen, der gegen eine Welt voller Regeln und Beschränkungen rebelliert, der sich nicht unterordnet. Menschen, die gegen den Strom schwimmen, sind beliebt. Das weiß ich heute, auch aus meiner historischen Arbeit. Damals habe ich das nicht analysiert, sondern einfach in den Kategorien der Leser gedacht, und das war richtig. Ich denke, dass das überhaupt ein Grund für meinen Erfolg war. Ich habe mich in die Leser hineingefühlt.
BLITZ: Wie kam es dazu, dass die Geschichten um Lobo nun nach dreißig Jahren weitererzählt werden?
Kuegler: Das war eine Entscheidung des BLITZ-Verlegers. Herr Kaegelmann hat damit sehr mutig entschieden. Es zeigt aber auch, dass die Figur des LOBO bis heute Potential hat, dass wir die Möglichkeiten in den 1970er Jahren nicht ausgeschöpft haben. Ich bin persönlich stolz darauf, dass „meine Figur“ nicht nur neu aufgelegt, sondern fortgeschrieben wird und damit „weiterlebt“. Das ist in der heutigen Zeit ein Risiko und nicht so einfach durchzusetzen wie damals in den 1970er Jahren. Damals haben die großen Verlage neue Serien nach kurzen Diskussionen angeschoben. Wenn sich das als falsch erwies, wurden sie nach wenigen Monaten wieder eingestellt. Es gab kurzlebige Reihen, die nach weniger als 25 – 30 Heften das Zeitliche segneten. Üblicherweise war das kein großer Verlust. Auch diese Reihen wurden verkauft und brachten Gewinn. Aber es gab natürlich kaufmännische Gewinnerwartungen, die innerhalb einer bestimmten Zeit erfüllt werden mussten. Wurden diese Ziele nicht erreicht, kam die nächste Serie.

So einfach geht das heute nicht mehr. Die geschäftlichen Möglichkeiten haben heute auf dem engeren, umkämpfteren Markt der Genre-Romane ihre Grenzen. Es ist schwieriger geworden, die Kosten einzuspielen. LOBO hat damals über 250 Ausgaben erreicht, von den Taschenbüchern nicht zu reden. Das war ein großer Erfolg und lässt heute noch hoffen.
BLITZ: Die Reihe beginnt beim BLITZ-Verlag mit einer Wiederveröffentlichung Ihres ersten Solo-Romans um Lobo, danach folgt ein neuer Roman aus der Feder Ihres Kollegen Alfred Wallon. Wird die neue Reihe beim BLITZ-Verlag in dieser Kombination aus klassischen und neuen Romanen weitergehen?
Kuegler: So ist es vorgesehen, und das finde ich hervorragend, weil wir hier ein Projekt haben, dass Sammlernostalgie ebenso befriedigt wie die Lust an neuen Abenteuern. Geführt von einer Hauptfigur, die noch immer mit den Eigenschaften eines Außenseiters Sympathien auf sich zieht. Es gibt auch noch immer Autoren, die den Western lieben und deren Fantasie durch einen Charakter wie LOBO angeregt wird.
Das war für mich übrigens immer ganz wichtig – das Genre zu lieben. Ich war immer ein Western-Autor aus Leidenschaft und habe das auch von meinen Kollegen erwartet. Das war vielleicht naiv. Viele haben einfach alles geschrieben, haben jedes Genre bedient. Das muss nicht schlecht sein. Aber eine gewisse Fachkenntnis des Themas, mit dem man umgeht, ist nie schlecht und hat der Sache Auftrieb gegeben. Beim Western sind einige Fachkenntnisse unumgänglich. Das hat mir mein damaliger Entdecker und langjähriger Lektor, Werner Dietsch, regelrecht eingebläut. Der wusste, wie man ein Pferd sattelte, wie ein Revolver funktionierte, wie die Choreografie eines Rindertreibens aufgebaut war. Das war damals und ist heute leider bei manchen Leuten nicht der Fall, die Western schreiben wollen. Aber heute sind die Möglichkeiten, sich zu informieren, weitaus größer. Ich weiß noch, unter welchen Schwierigkeiten ich mir damals Fachliteratur beschafft habe. In Amerika-Häusern, in Universitätsbibliotheken, in Versandbuchhandlungen, dann später an Ort und Stelle in den USA. Heute geht das mit Klicks im Internet. Der Western braucht eine solide Grundlage, um stimmig zu sein. Es gibt die Autoren noch, die das wollen. Die lassen LOBO weiterleben.
Generell möchte ich feststellen, dass der Western von allen sogenannten Genre-Romanen das größte Maß an Zeitlosigkeit besitzt. Ein gut geschriebener Western kann auch nach vielen, sehr vielen Jahren noch gelesen werden. RONCO ist der beste Beweis dafür. Die Stories wirken auch nach fast 50 Jahren noch immer frisch, originell, dramatisch und mitreißend. Es kommt natürlich auf die Geschichte an und auf die Art, wie sie erzählt wird.
Das Bedürfnis nach Abenteuern ist vermutlich so alt wie die Menschheit, ebenso wie die grundsätzliche Moral des Kampfes Gut gegen Böse. Der amerikanische Westen bietet die ewige Kulisse dafür. Die grandiosen Landschaften strahlen eine unübertroffene Stärke aus, die die Menschen beeinflusst, die sich darin bewegen. Da wird der tiefsitzende Wunsch nach Freiheit und Selbstverantwortung reflektiert, nach der Möglichkeit, die eigenen Grenzen auszutesten, sich in einem solchen Land zu behaupten. Das ist bis heute Kern amerikanischer Mentalität.
Während Europa seit Jahrhunderten nach bestimmten bürgerlichen Regeln organisiert ist und soziale, wirtschaftliche, juristische Rahmenbedingungen entwickelt hat, bot Amerika im 19. Jahrhundert offene Wege, offene Horizonte, eine Atmosphäre, die es sonst nirgends auf der Welt gab. Das ist zum Teil noch heute so. Die Frage war, ob man diesen Herausforderungen gewachsen war.
Einem Menschen zu folgen der sich so einem Umfeld stellt, ist bis heute aufregend, weil es den Ausbruch aus unserer wohlgeordneten Bürgerlichkeit bedeutet. Es sind die Reste der „Wildheit“ in uns allen. Das bürgerliche Leben legt uns allen Zügel an, also versuchen wir, uns aus dem Alltag wegzuträumen. Wir dürfen keine Waffe an der Hüfte tragen, wir können nicht einfach auf ein Pferd steigen und in den Sonnenuntergang reiten und unser Umfeld hinter uns lassen. Wir können unsere Probleme nicht einfach auf eigene Faust regeln und uns den Kämpfen des Lebens mit letzter Konsequenz stellen. Aber es gibt die Sehnsucht nach einer solchen Welt, in der es scheinbar einfacher ist, dem Leben klare Konturen und Strukturen zu geben. Und wir lieben Helden, die sich nicht verstecken, die Verantwortung übernehmen, die sich gegen mächtige Gegner behaupten, die das, was wir als Gerechtigkeit empfinden, herstellen und die eine Stärke zeigen, die wir uns für uns selbst wünschen. Wir sind immer gezwungen, Rücksichten zu nehmen, uns manchmal zu ducken, Kompromisse zu machen, uns zu beherrschen. Der Westernheld muss das nicht.
Mir sind in den letzten 40 Jahren in manchen Gegenden der USA Menschen begegnet, die sich bewusst aus unserer Zivilisation ausgeklinkt haben. Das ging im 19. Jahrhundert, und das geht im amerikanischen Westen manchmal noch heute. Dieses Umfeld hat eine unsterbliche Faszination. Wenn sich der Autor solcher Geschichten dann auch noch einer Sprache bedient, die nicht zu stark von den Konventionen unserer Zeit beeinflusst ist, schafft er eine Wirkung für die Ewigkeit. LOBO trägt dieses Potential in sich. Fazit: Ein guter Western vergeht nie.
BLITZ: Ein gutes Schlusswort, vielen Dank!
Die ersten beiden Bände der neuen „Lobo“-Reihe sind im BLITZ-Shop erhältlich.