Im Frühjahr 2021 startet der BLITZ-Verlag eine Autorenreihe mit den besten Western des bekannten Autors Robert S. Field. Dies ist das Pseudonym des Schweizer Autors Werner J. Egli, der schon seit Jahrzehnten ein Garant für spannende und atmosphärisch dichte Romane ist. Wir hatten Gelegenheit, mit Werner J. Egli über sich und seine Romane zu sprechen.
BLITZ: Zunächst einmal freuen wir uns sehr darüber, dass eine Auswahl Ihrer besten Romane im BLITZ-Verlag erscheint. Es sind besondere Western, auf die wir noch im Detail eingehen werden. Aber vorab die Frage: Wann hat der Autor Werner J. Egli mit dem Schreiben begonnen, und was waren die ersten Veröffentlichungen?
Egli: Ich war ein verrückter Hund, als Grafiker ein Existenzialist, als Leser ein angefressener Fan von Jack London, Mark Twain, Ernest Hemingway, John Steinbeck, habe mir im zarten Alter von 21 Jahren zuerst mal beim Schnellziehen ins Bein geschossen, hatte ein Modemodel aus Karlsruhe zur Frau und bald schon eine gemeinsame Tochter.
BLITZ: Was verbindet Sie mit dem Thema Western persönlich? Hängt es damit zusammen, dass Sie selbst jedes Jahr in die USA gereist sind und auch dort längere Zeit gelebt haben?
Egli: Es hängt eher damit zusammen, dass ich in meiner Jugend die Romane amerikanischer und deutscher Western-Autoren gelesen habe und mich irgendwann selbst davon überzeugt habe, dass ich solche Geschichten auch schreiben könnte. Ich habe also meinen erlernten Beruf des Positiv-Retuscheurs und Grafikers an den Nagel gehängt und mich mit H. J. Stammel zusammengetan.
BLITZ: Beim Lesen Ihrer Romane fällt auf, dass Sie sehr ungewöhnliche Themen gewählt haben. Der erste Band der neuen Robert S. Field-Reihe hat einen Weidekrieg zum Inhalt, der aber sehr detailgetreu geschildert wurde. Im zweiten Band geht es um die gefährliche Überquerung eines Passes mitten im Winter. Es gibt hier sicher einen historischen Hintergrund, oder?

Egli: Ja, die Romane stammen von vor der TV-Zeit. Da brauchten die Leser noch geschriebene „Bilder“ oder Wortbilder. Ich fühle mich als Autor auch heute noch dieser Art des Schreibens verpflichtet. Und die Leser wissen das auch zu schätzen, weil gerade im Western die Landschaften eine tragende Rolle spielen. Die Zaunschneiderkriege in Texas sind von regionaler Bedeutung. Sie rückten Leute wie den Revolvermann Gottes, Andrew „Jack“ Potter, ins Geschichtsbild der damaligen Zeit, und den Kampf zwischen Großranchern, Kleinranchern, Farmern und Siedlern. Man muss sich das vorstellen, Weideland, das vorher frei zugänglich war, wurde mit Stacheldraht eingezäunt. Es konnte leicht geschehen, dass ein öffentliches Gebäude sozusagen durch die Zäune plötzlich nicht mehr zugänglich war. In meinem Roman passiert das mit einer Schule. Der Höhepunkt der zweiten Geschichte handelt im Gebiet um den South Pass. Eine Mormonenfamilie auf dem Weg nach Salt Lake City kommt im Schneesturm vom Weg ab. Die Zugochsen sterben und die Leute müssen sich zu Fuß durch die eisklirrende Wildnis schlagen, ein nahezu unmenschliches Unterfangen.
BLITZ: Ihre Charaktere sind besonders facettenreich geschildert. Dies trifft auch sehr oft auf die verwendete Sprache zu. Man hat manchmal beim Lesen den Eindruck, dass man daran einen „Egli“ erkennen kann. Wie sehen Sie das?
Egli: Der „Egli“ ist in alle Figuren mit drin. Egal ob Mann oder Frau, gut oder böse, von dieser oder jener Herkunft, Freund oder Feind. In Wirklichkeit kann ich zum Beispiel kein Indianer sein, egal wohin ich mir die Federn stecke, aber in einer Geschichte gelingt mir das problemlos. Als Leser habe ich es immer gehasst, wenn ich gemerkt habe, dass sich die Protagonisten auch während einer längeren Zeitspanne vom Charakter her nicht ändern, also ihr Verhalten von der ersten bis zu letzten Seite auch durch schlimme Schicksalsschläge oder gravierende Erlebnisse nicht beeinflusst wird und sie sozusagen fast zu nerventötenden Zombies werden, immer das gleiche Zeug daherredend und auf verschiedene Herausforderungen immer gleich reagierend. Schlicht gesagt, finde ich das ziemlich einfältig, egal ob im Film oder in Büchern.
BLITZ: Sie haben etliche Romane zusammen mit Heinz Josef Stammel unter dem gemeinsamen Pseudonym Robert Ullman geschrieben. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Egli: Ganz einfach, er sagte mir, dass er mich unter seine Fittiche nimmt bis ich selber groß und stark bin, und das hat er getan, indem er geschäftlichen Dinge geregelt hat. Anfänglich benutzte ich mein eigenes Pseudonym, aber schon bald ließen wir die Romane unter dem Pseudonym Robert Ullman laufen, weil es sich um ein eingeführtes Pseudonym handelte. Für mich ging das so in Ordnung, denn ich habe mich auf ihn und sein Wort verlassen müssen, wenn ich diese Arbeit nicht selbst tun wollte.
BLITZ: In späteren Jahren haben Sie auch die Pseudonyme Lee Roy Jordan und Jefferson Parker verwendet. Dazu zählen auch etliche LOBO-Heftromane und Taschenbücher. Welchen Stellenwert haben diese Romane heute für Sie?
Egli: Beides waren hervorragende Reihen nach einem Konzept von Dietmar Kuegler. Ich freue mich, die Romane wieder bei BLITZ zu sehen. Meine sind noch nicht mit dabei, aber das kann ja auch noch passieren. Sie sind damals in der Italo Westernzeit erschienen. Einige meiner LOBO-Romane habe ich umgeschrieben und als „neutrale“ Western veröffentlicht.
BLITZ: Über den Kopfgeldjäger T.T. Chesterfield müssen wir auch noch sprechen. Diese von Ihnen entwickelte Figur war besonders eigenwillig und sehr markant. Wer diese Romane einmal gelesen hat, der erinnert sich auch jetzt noch daran. Wie kam es zu dieser Idee?
Egli: Weiß ich auch nicht mehr. Die Schablonenfiguren des Revolvermannes, Sheriffs, Cowboys, Indianers, Kopfgeldjägers, Mexikaners, Desperados etc., gingen mir auf den Geist. Mit Chesterfield habe ich einen Westernheld geschaffen, den es so vielleicht eher hätte geben können als die einsamen und wortkargen Typen, die monatelang auf der Fährte eines Verbrechers reiten. Mein Chesterfield hat eine Frau, ein Baby und eine Schwiegermutter, zumindest im ersten Band.
BLITZ: Eine zweite wichtige Figur war DELGADO. Im BLITZ-Verlag sind diese Apachen-Romane ja schon erschienen. Man merkt sehr deutlich, dass Sie vor Ort lange und gründlich recherchiert haben. Arizona bzw. den Südwesten der USA findet man als Handlungshintergrund sehr oft bei Ihnen. Das ist „Ihr Territorium“?

Egli: Ja, ich verbrachte ein halbes Leben in Arizona und habe von dort aus ganz Nordamerika bereist. Manchmal war die Harley Davidson mein Gaul, dann wieder habe ich Monate im Wohnwagen gehaust oder Wochen im Zelt. Es gab Plätze in Arizona, wo nie einer hingeht um ein Buch zu schreiben. Das habe ich immer wieder getan. Der Aravaipa Canyon war ein solcher Ort, abgelegen, schwer zugänglich. Eine Wildnis, wo sich in den vergangenen Jahrhunderten kaum etwas geändert hat. Solche „Settings“ habe ich auch in Mexiko gefunden, oder in anderen amerikanischen Staaten bis nach Alaska. Auch von Menschen umgeben war ich im Grunde genommen immer ein Einzelgänger. Albert Camus hat dazu einmal geschrieben: „Jeder Mann braucht seine Wüste.“
BLITZ: Sie haben auch etliche historische Western für andere Verlage als Hardcover und Taschenbuch geschrieben. Ich erinnere an solche Romane wie DIE NACHT ALS DER KOJOTE SCHWIEG, IM SOMMER ALS DER BÜFFEL STARB, ALS DIE FEUER ERLOSCHEN und DIE SIEDLER. Rückblickend war dies ein sehr großes Engagement eines Autors zu einer Zeit, als der historische Western allmählich weniger Leser fand. Trotzdem wage ich zu behaupten, dass diese Romane herausragend für dieses Genre sind. An was erinnern Sie sich noch aus dieser Zeit?
Egli: Der historische Western in der deutschsprachigen Literatur erlebte damals gerade durch Stammels Bücher die absolute Blütezeit. Unsere Bücher gehörten nicht mehr einem Genre an, sondern sie gehörten gesellschaftlich und fachlich gesehen zum Stamm der Belletristik. Für mich hat alles gepasst. Das schiere Glück hat es mir erlaubt, diese Bücher zu schreiben. IM SOMMER ALS DER BÜFFEL STARB war damals auf den Bestsellerlisten. Auch DIE SIEDLER war ein erfolgreicher historischer Roman. Wer damals zur Frankfurter Buchmesse gefahren ist, fuhr unter riesigen Straßenbannern hindurch, auf denen der Titel meines Buches und der Autorenname stand. Ich durfte in Buchhandlungen und Bibliotheken lesen und die Magazine und Zeitungen wie die FAZ, die Süddeutsche Zeitung, Der Standard oder die NZZ berichteten über meine Bücher. Ein paar Jahre später war dieser Autoren-Traum vorbei.
BLITZ: Irgendwann kehrten Sie dem historischen Western den Rücken und schrieben spannende Jugendromane für den Ueberreuter-Verlag. Auch hier bestechen diese Romane wieder durch besonders ausgefeilte Themen (Drogenprobleme, Grenzkonflikte zwischen Texas und Mexiko usw.). In dieser Zeit entstand auch der legendäre Roman HEUL DOCH DEN MOND AN. Wenn ich das richtig sehe, ist das ein ganz wichtiger persönlicher Roman für Sie. Wollen Sie uns darüber etwas erzählen?
Egli: HEUL DOCH DEN MOND AN ist eine autobiografische Geschichte, die uns bis heute erhalten geblieben ist. Sie wird immer noch in vielen Schulen gelesen und an Autorenlesungen lassen die Mädchen und Jungs sich auch heute noch begeistern. Ich hätte aber gern auch die Western weitergeschrieben, nur fehlte es mir häufig an der Zeit – nicht an der Lust. Ich bin keine Schreibmaschine. Es ging einfach nicht, alles auf die Reihe zu bringen. Um das zu tun, hätte ich mich aufreiben müssen, aber dazu war mein abenteuerliches Leben viel zu schön.
BLITZ: Sie haben sogar Lesungen an Schulen veranstaltet. Wie ist Ihr Eindruck des Interesses einer jüngeren Lesergeneration?
Egli: Das Buch gehört vielleicht nicht zu den Prioritäten der Jugendlichen. Es gibt viel zu viel wichtigere Beschäftigungen, als ein Buch zu lesen. Das war früher auch nicht viel anders. Ich kann mich noch an die Schulzeit erinnern. In einer Klasse von 42 Schülerinnen und Schülerinnen waren wir fünf Jungs, die man als Leseratten hätte bezeichnen können. Wir haben die Karl May Bände untereinander ausgetauscht, waren jeden Sonntag in unserer Pfarreibibliothek in Luzern und holten uns Abenteuerromane. Das ist heute anders. Das Handy hat Vorrang. Playstation oder Xbox. Selbst das Fernsehen hat Mühe, junge Leute im Teenager-Alter vor die Glotze zu locken. Davon ist vor allem das Jugendbuch betroffen. Nur wenn ich an Schulen vorlese, merken sie was sie bereits alles verpasst haben, aber ich bin nicht so sicher, dass viele von ihnen nicht grad wieder zum Handy greifen, wenn ich weg bin.
BLITZ: Schließlich haben Sie sich mit der Gründung des Aravaipa-Verlages einen lang ersehnten Wunsch erfüllt und sind nun auch Verleger. Einige Ihrer damaligen Jugendbücher haben eine Neuauflage bekommen, und es gibt auch wieder neue Romane von Ihnen. Wie kam es zur Verlagsgründung?
Egli: Ja, ich wollte das immer mal machen. Das Ziel war eines, das immer in einer unbestimmten Zukunft lag. Rein rechnerisch hatte ich diese vor fünf Jahren erreicht. Der Aravaipa-Verlag ist mit viel Herzblut entstanden. Nun bin ich mein eigener Gefangener. Ich hätte nie geglaubt, dass das alles so viel Arbeit macht. Und dann kam Corona und die Lockdowns und hat uns irgendwelche Grenzen aufgezeigt, die wir bis jetzt nicht wahrhaben wollen. Also sind wir immer noch dabei, Bücher auf den Markt zu bringen.

BLITZ: Wie müssen wir uns heute Ihren Arbeitstag vorstellen? Wie arbeiten Sie, was ist Ihnen wichtig und was brauchen Sie, um kreativ zu sein?
Egli: Nicht mehr viel. Ein bequemer Stuhl muss es sein, damit mein Arsch nicht rebelliert. Natürlich hilft es, wenn du Freude an deinem Schaffen hast und diese mit anderen Menschen teilen kannst. Einen reglementierten Tagesverlauf gibt es nicht. Ich schreibe, wenn ich Lust dazu habe, aber ich habe jeden Tag irgendwann Lust. Auch die Verlagsarbeiten müssen gemacht werden. Das ist oft schwieriger. Im Moment arbeite ich an der Geschichte eines jungen Auswanderers aus meiner Heimatstadt Luzern, dessen Lebenslauf zwar nicht lückenlos, aber ziemlich gut verfolgt werden kann, und der in der Schlacht am Little Big Horn ums Leben kam.
BLITZ: Jetzt wäre die Möglichkeit, den Lesern noch etwas zu sagen, was Ihnen wichtig ist.
Egli: Ich freue mich auf die Robert S. Field Autorenreihe beim BLITZ-Verlag und dass wir dazu die Lonati-Covers verwenden. Für mich sind diese Romane wie Zeitkapseln, die mich dorthin bringen, wo einmal alles angefangen hat. Ich mag Zeitreisen, besonders eine, die zurück führt in die Zukunft.
Das Interview mit Werner J. Egli führte Alfred Wallon.
Die ersten beiden Bände der Robert S. Field-Reihe sind ab sofort im BLITZ-Verlag erhältlich.