„Super Pulp“ ist unbeschwert, mutig und dabei absolute Wohlfühlliteratur für den Augenblick. | Ein Interview mit dem Herausgeber r.evolver

Das Wiener Multi-Talent r.evolver hat mit seinem Kult-Magazin „Super Pulp“ eine neue Heimat beim BLITZ-Verlag gefunden. Im Frühjahr sind bereits vier Bände erschienen: Drei Bände mit den Highlights der letzten zehn Jahre, Band 4 präsentiert nagelneue Stories aus den Genres Pulp-Thriller, Horror & Science Fiction.

Im Interview erzählt r.evolver uns von seiner Freude an „Schmutz und Schund“, beschreibt die Entstehung seiner Kultheldin Kay Blanchard und verrät uns, wie er an die Autoren und Stoffe für sein außergewöhnliches Magazin kommt.

BLITZ: Auf der Rückseite des ersten Bandes der Super-Pulp-Reihe ist der Warnhinweis „Achtung, dieses Druckwerk beinhaltet Schmutz & Schund!“ zu finden. Woher kommt Deine Freude am literarisch Abseitigen?

r.evolver: Rein visuell aus der Zeit meiner Kindheit in den 70ern, als ich mit den Eltern fast jeden Sommer in Italien auf Urlaub war. In den Tabakgeschäften lagen all diese faszinierenden „Fumetti Neri“-Serien: Diabolik, Cobrak, Tex, um nur einige zu nennen. Die mit Action, Abenteuer, Horror und Erotik aufgeladenen Schwarzweiß-Bilder haben mich in den Bann gezogen, obwohl ich kein Wort italienisch konnte oder verstand. Allein die Bildkompositionen und Montagen der Cover versetzten mich in eine andere Welt. Irgendwann entdeckte ich dann zuhause, dass der Freibeuter-Verlag vereinzelte italienische Serien auf Deutsch herausbrachte, natürlich mit dem Vermerk: Nur für Erwachsene! Was für uns Kids erst recht Ansporn war, einen Weg zu finden …

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Das Wiener Multi-Talent r.evolver ist Herausgeber der Kult-Reihe „Super Pulp“ | Foto: privat

Eine weitere wichtige Inspirationsquelle war die „Butler Parker“-Sammlung meines Onkels, wobei man da jetzt natürlich darüber diskutieren kann, ob es sich dabei wirklich um „Schund“ handelt. Ich verbrachte jedenfalls Stunden mit dem Betrachten der Lonati-Covers, zauberte mir oft schon vor dem Lesen der Romane meine eigene Story im Kopf. Zusammengefasst kann man sagen: Meine Affinität zu Schmutz und Schund kommt definitiv aus der italienischen Comic-Ecke. Für meine Liebe zur Pulp-Literatur stand der „Butler“ Pate …

BLITZ: Deine Pulp-Heldin, die Geheimagentin Kay Blanchard, darf natürlich in der Super-Pulp-Reihe nicht fehlen. Kannst Du ein paar Sätze zur Geschichte dieser Figur sagen, die ja bereits 1999 ihr erstes Abenteuer als Online-Roman erlebte?

r.evolver: Kay Blanchard ist Agentin des britischen MI6 in einem skurrilen Paralleluniversum, wo die Nazis in einer düster-bizarren Zukunft quasi die ganze Welt beherrschen – außer dem vereinigten Königreich. Somit ist Kay de facto eine Doppelnull-Kollegin von Mr. Bond. Literarisch betrachtet ist sie eine Personalunion von Modesty Blaise, Sandra King und der Weltraumagentin Barbarella (Barbarella war ein Comic bevor ihre Abenteuer von Roger Vadim verfilmt wurden) – all diese Frauentypen haben mich fasziniert, beeinflusst, und sicher auch die erotischen Fantasien eines adoleszenten r.evolver angekurbelt. Mit Kay hab ich in reiferen Jahren all diesen Damen ein Denkmal gesetzt, dabei aber die Figur ein wenig überspitzter und pointierter als die Vorbilder gestaltet und in eine fast schon klassische Thriller-Dramaturgie eingebunden. So wird der dramaturgische Bogen stets von einem Whodunit-Rätsel getragen: Wer steckt hinter der Verschwörungen, hinter Mord und Totschlag? Und ich kann hier und jetzt verraten: Nie der Gärtner …

BLITZ: Magst Du etwas über die Zusammenstellung der Super-Pulp-Magazinbeiträge erzählen? Von Fakt bis Fiktion und von Thriller bis Science Fiction scheint ja ein breites Spektrum abgedeckt zu werden.

r.evolver: Genau, alles was mich als Herausgeber und Produzent fasziniert, mich in eine andere Welt versetzt, aber ein bissl anders und frecher daherkommt, als das Übliche. „Super Pulp“ soll sich vom Mittelmaß absetzen, dabei Genre-Stoffe liefern, die man in dieser Form aber noch nicht kennt. „Super Pulp“ ist unbeschwert, mutig und dabei absolute Wohlfühlliteratur für den Augenblick. Das Publikum kann sich in der Mittagspause, in der Schnellbahn, am Strand oder auch am Abend vor dem Kamin noch schnell und unverbindlich in eine phantastische Welt entführen lassen. Dabei setze ich vermehrt auf Mini-Serien mit Episoden, die auch wunderbar funktionieren, wenn man sie einzeln und aus dem Zusammenhang liest. Und natürlich auf den traditionellen Essay zu einem klassischen Pulp-Thema, für den ich u.a. keinen geringeren als Martin Compart gewinnen konnte, was mich sehr stolz macht.

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r.evolver (Hrsg.) | Suicide New | Titelbild: Walter Fröhlich

Bei den Stoffen versuche ich die Balance zwischen den Genres sowie den etablierteren und jungen, unbekannten Autoren zu halten, was mir ganz gut gelingt. Und wichtig: Es kommt so wenig Computer- und DTP-Technik zum Einsatz wie möglich. Konkret heißt das, ich setze im Zuge der Produktion Photoshop nur homöopathisch ein – zum Beispiel werden alle Covers von großartigen Künstlern wie Walter Fröhlich, Erik R. Andara oder Ronald Putzker zuerst auf Papier gezeichnet und erst nach dem Scannen im Computer ein bisschen nachbearbeitet. Als gelernter Mediengestalter muss ich aber hier und jetzt (leider) hinzufügen: Ohne Computer geht es nicht mehr.

BLITZ: Ein illustres Team von Autoren hast Du für Dein Magazin zusammengetrommelt. Wie kamen die Kontakte zustande?

r.evolver: Ich bin seit Jahrzehnten in der Medienbranche tätig, habe früher in Wien viel für Agenturen gearbeitet und im Zuge dessen doch einige Autoren kennengelernt. Später habe ich für Peter Hiess’ Wiener Kult-Verlag EVOLVER BOOKS (den es leider nicht mehr gibt) produziert. Aus dieser Zeit stammen wohl die meisten meiner „literarischen“ Kontakte.

BLITZ: Neben Autor und Super-Pulp-Herausgeber hast Du noch viele weitere Talente und Beschäftigungen. Mit welcher Berufsbezeichnung würdest Du Dich selbst versehen?

r.evolver: Diese Frage bezieht sich wohl auf die im Internet kursierende Selbstbeschreibung, wo ich erzähle, ich wäre Rock ’n’ Roll-Held, Weltraumfahrer, Detektiv und Boxer und so weiter. Nun, ein bisschen was davon stimmt, anderes ist natürlich nicht ganz so bierernst zu nehmen. Wenn ich darüber hinaus all meine Professionen und Tätigkeiten (und das sind schon ein paar) zusammenfasse, würde ich mich als Tagtraum-Kaufmann bezeichnen – und wenn ich jetzt noch was verdienen würde damit …

BLITZ: Wie nutzt Du die aktuelle Zeit der sozialen Distanzierung? Findest Du Gelegenheit für Tätigkeiten, die Du schon lange erledigen wolltest?

r.evolver: Mittlerweile ist das ja in Österreich schon wieder gelockert. Was natürlich nicht heißt, dass es nicht zu einem neuerlichen Lockdown kommt. Als Medienbeauftragter eines großen Schulungsunternehmens ist Homeoffice für mich aber ohnehin kein Thema. Klar hab ich ein Büro in der Firma, kann aber das meiste auch von zuhause aus erledigen, wenn es darauf ankommt. Da ich sowieso am liebsten produziere, hat sich während Corona nicht so viel für mich verändert. Außer dass sich feinerweise der Kontakt zu meinen Kindern intensiviert hat, die ich ja sonst tagsüber nie gesehen habe.

BLITZ: In Deinen Kay-Blanchard-Romanen gibst Du zu den einzelnen Kapiteln Musikempfehlungen. Welchen Song würdest Du zur aktuellen Lage empfehlen?

r.evolver: Puh, einige wahrscheinlich, aber aus der Hüfte geschossen fällt mir da natürlich sofort „Ghost Town“ von der englischen Ska-Formation The Specials ein:

This town (town) is coming like a ghost town
All the clubs have been closed down (…)

BLITZ: Wo liegen Deine Einflüsse? Welche Autoren liest Du selbst am liebsten?

r.evolver: Siehe die erste Frage und meine Antwort dazu. Ansonsten bin ich ein großer Krimi- und (Agenten)Thriller-Fan von A bis Z und sammle alle Comics, die keine Superhelden-Comics sind. Ich vermeide hier (so wie auch im Kino) weitgehend bzw. so weit es sich halt vermeiden lässt alles Amerikanische, weil ich der Überzeugung bin, dass wir Europäer großartige Künstler hervorbringen und es auch besser können, mit mehr unerwarteten Wendungen, mehr Spannung und Tiefgang und weniger dem Profit geschuldeten „Gleichschaltungs-Wahn“: Ein US-Bestseller, ein Superhelden-Comic, ein Hollywood-Streifen ist so wie der andere: Mit Software in standardisierter Dramaturgie geschrieben und anschließend nach Schema heruntergekurbelt und im Computer aufgeblasen – das kann es nicht sein! In der Europäischen Kulturszene schaut es Gott sei Dank (noch) anders aus …

BLITZ: Vielen Dank für das Gespräch!

Über den Shop des BLITZ-Verlags können die ersten vier Bände der Reihe bezogen werden, außerdem sind die nächsten vier Bände bereits vorbestellbar.