„Die Elfe vom Veitner Moor“, ein Krimi aus der Welt des Rollenspielklassikers „Das Schwarze Auge“, ist vor kurzem beim BLITZ-Imprint Rocket Books erschienen. Hier verrät die Autorin, wie die Geschichte entstanden ist.
Ursprünglich wollte ich die Geschichte um die Elfe gar nicht veröffentlichen. Denn die Story entsprang einer Schnapsidee, wenn auch kein Schnaps, sondern ein Moor involviert war. Das muss im Herbst des Jahres 2015 gewesen sein. Da ging ich mit meinem Mann in einem kleinen Naturschutzgebiet bei Münster, dem Venner Moor, spazieren. Nebel zog auf, bunte Blätter lagen auf den Wegen. Außer uns war niemand unterwegs. Ich sagte so etwas wie: „Das ist genau die richtige Atmosphäre für einen Krimi. Da drüben, im Wasser, da könnte eine Leiche liegen.“ Ich sah das dunkle Cover mit der mystischen Mooransicht bereits vor mir. „Die Tote vom Venner Moor“, sagte ich, „so könnte das Buch heißen.“
Zu dem Zeitpunkt schrieb ich bereits regelmäßig kurze Geschichten. Auch ein erster Roman, der eine weibliche Ermittlerfigur durch die Schwierigkeiten des 19. Jahrhunderts begleitet, war bereits fertiggestellt. Es war also nicht ungewöhnlich für mich, überall ein Krimisetting zu wittern.
Aber mein Mann, ein phantasievoller Mensch und Freund von allen möglichen Geschichten, schüttelte den Kopf. „Das gab es doch schon hundertmal“, erwiderte er.
Ich musste nach einigem Überlegen zugeben, dass er recht hatte und ein solcher Titel noch nicht mal das Texterteam vom Sonntagabend-Tatort umgehauen hätte. Dennoch war ich von der Atmosphäre, die uns umgab, so angetan, dass ich es plötzlich für eine gute Idee hielt, einen Kriminalroman zu schreiben. Gerne einen klassischen, im Stil von biederen Fernsehkrimis.
Wir gingen weiter und hingen unseren jeweiligen Gedanken nach. „Mach doch was Neues draus“, schlug mein Mann nach einer Weile vor. Weil wir am Abend zuvor wie so oft mit Freunden eine Runde Das Schwarze Auge gespielt hatten, überlegte ich nicht lange. „Okay … Die tote Elfe vom Venner Moor“, sagte ich trotzig – nicht ahnend, dass dieser Name über Jahre hinweg der Arbeitstitel meines Romans bleiben sollte.
Das gefiel ihm schon besser. Vermutlich war das auch nicht sonderlich originell, aber zumindest war eine tote Elfe noch nicht ganz so häufig in der Buchwelt vertreten wie ein toter Mensch.
Wir sponnen noch eine Weile herum, wie wir ein öffentlich-rechtliches Tatort-Drama nach Aventurien verlegen würden, und dabei gab ein Wort das andere. Für die eigentliche Geschichte stellten wir uns die klassische Frage des was wäre wenn: Was wäre, wenn klassische DSA-Helden in einem Abenteuer einmal auf totaler Linie scheiterten? Wenn sie beim Versuch sterben würden, schlimme Dinge zu verhindern? Nun ja, die Bösewichte würden sicher weiter an ihren schurkischen Plänen arbeiten und sie schließlich umsetzen. Die Spuren des Scheiterns, wie zum Beispiel die Leichen der toten Helden, wären jedoch vorhanden und könnten wiederum von anderen Helden entdeckt werden … Unsere Grundidee war geboren!
Und das Setting? Ein Krimi wie dieser musste einfach in Albernia spielen, jener Gegend von Aventurien, in der es häufig regnet, die Menschen wortkarg waren und Feen sich ganze Wälder untertan machten. Wir brauchten dazu eine mutige, aber einsame Ermittlerfigur, einen machthungrigen Schurken und eine Geschichte, die sich immer weiter zuspitzen und schließlich auf ein großes Finale hinauslaufen würde.
Irgendwann wurde es dunkel, wir fuhren nach Hause zurück.
Danach geschah – nichts.

Ich schrieb mir die Idee in groben Zügen auf, und wir sprachen noch ein, zwei Mal davon, doch es verging einige Zeit, bis ich das Dokument wieder hervorholte und überlegte, wie man aus dieser ersten Idee eine stimmige Geschichte zaubern konnte. In Absprache mit meinem Mann begann ich schließlich, mir Namen für die Hauptfiguren auszudenken, die Handlung weiterzuentwickeln und irgendwann auch tatsächlich zu schreiben. Dabei ging es mir nicht darum, eines Tages ein gedrucktes Buch in der Hand zu halten, sondern einfach, meinem Mann eine Freude zu machen. Denn er erzählte mir auf mein Bitten hin schon seit Jahren Geschichten. Erst mündlich, später schrieb er sie auch auf und las sie mir abends im Bett zum Einschlafen vor. Ja, ich habe einen unheimlich tollen Mann!
Ich aber hatte ihm noch nie eine richtige Geschichte erzählt, geschweige denn geschrieben. Also fing ich einfach an. Es war ja nicht wichtig, wie gut oder schlecht die Geschichte war, sie sollte ja nur uns beiden Spaß machen. Und die ersten Seiten gefielen ihm gut. Er mochte Fantasy-Geschichten und die Welt von Das Schwarze Auge. Er wollte wissen, wie es weitergehen würde. Manchmal fragte er mich abends: „Hast du heute wieder geschrieben?“ Das motivierte mich. Ich schrieb weiter. Aber ich merkte bald, dass es mir an Wissen fehlte.

Muss man für Fantasy recherchieren? Oh ja! Ich begann, mein Wissen in aktuellen DSA-Quellenbänden aufzufrischen. Wie lebte es sich in Albernia? Was konnten Elfen – und was nicht? Wie dachten andere Spezies über sie? Wer hielt die Befehlsgewalt über Abilacht? Schließlich ließ ich Saliniome auftauchen. Sie ist ein alter DSA-Charakter von mir, den ich jetzt als Überraschungsgast wieder einbaute. Zu dem Zeitpunkt hätte ich allerdings nicht gedacht, dass Ayla und die Elfe sich irgendwann mal so gut verstehen würden …
Je mehr die Geschichte sich entsponn, umso mehr Ehrgeiz entwickelte ich. In der Zwischenzeit erschien die fünfte Edition von Das Schwarze Auge, und mit ihr gab es auch Änderungen in Albernia. Die Geschichte der Fantasywelt wird ja laufend fortgeschrieben. Und natürlich wollte ich mit der Zeit gehen! Also schrieb ich einzelne Szenen um. Abilacht wurde vom Langweiler-Kaff der 4. Edition zur DSA5-Handwerksstadt. Dabei musste ich darauf achten, die Hauptfrau sich noch immer langweilen zu lassen, auch wenn ihr Umfeld plötzlich spürbar lebendiger war. Auch die nordmärkische Besatzung gab es nicht mehr. Dabei war sie ein Stützpfeiler meiner Atmosphäre gewesen! Ich beschrieb darum, wie sich diese Zeit dennoch in den Köpfen der Bewohner eingenistet hatte.
Ich holte die alten Charakterbögen von Saliniome wieder hervor und schaute nach, welche Zauber sie beherrschte und welche Werte sie besaß. Die Elfe zaubert also nicht (nur), weil es im Buch gerade passt, sondern weil sie als Spielercharakter auch genau diese Zauber mit in die Geschichte brachte.
Ich konvertierte den DSA4.1-Charakter zu DSA 5. Ich schickte meine Protagonisten in ein Dungeon und würfelte aus, welche Aktionen ihnen glückten und welche nicht. Ich ließ sie im Team stark sein und einzeln schwach. Herausgekommen ist eine Geschichte über Freundschaft, über Zuneigung und Vertrauen in einer Welt, die all das eigentlich nicht rechtfertigt.

2016 las ich den Anfang des Werkes erstmals vor Publikum. Da wusste ich schon, dass ich diese Geschichte veröffentlichen würde, denn meinem Mann und mir gefiel sie viel zu gut, um sie in der Schublade verstauben zu lassen. Doch natürlich konnte ich mich nicht jeden Tag hinsetzen und schreiben, und so dauerte es bis zum Ende des Jahres 2018, bis ich die fertige und mehrfach überarbeitete Geschichte schließlich an Rocket Books schickte. Die machten dann innerhalb von etwa einem Jahr ein Buch draus, worüber ich mich bis heute sehr freue. Aus dem „Venner Moor“ wurde das in Aventurien beheimatete „Veitner Moor“ und der Tod verschwand aus dem Titel. Wie schön, dass die Geschichte mittlerweile so vielen Menschen gefällt! Von den zahlreichen begeisterten Reaktionen, die ich erhalte, freuen mich diejenigen besonders, die das Verhältnis von Ayla und Saliniome hervorheben. Denn darum ging es mir von Anfang an: Um zwei, die zueinander finden. Und wenn dafür Mord und Totschlag und Ränkespiele und eine Fantasywelt vonnöten sind, dann ist das eben so.
„Die Elfe vom Veitner Moor“ hat wirklich nicht mehr viel mit dem Sonntagabend-Tatort zu tun. Aber das ist auch gut so. Den klassischen Krimi kann ich ja beim nächsten Mal schreiben.
„Die Elfe vom Veitner Moor“ ist im Shop des BLITZ-Verlags erhältlich.
Ein Gastbeitrag von Katja Angenent, Autorin des DSA-Krimis „Die Elfe vom Veitner Moor“. Mehr über Katja auf katjaschreibt.de