„Die passende Atmosphäre zur Geschichte entsteht vor allen Dingen durch die Geräusche“ | Teil 1 eines Interviews mit Hörspielmacher Markus Winter

Das Hörspiellabel WinterZeit Audiobooks bietet ein buntes Spektrum an spannenden Hörspielserien an. U. a. wurde dort in den letzten Jahren auch der ein oder andere Roman aus dem BLITZ-Verlag vertont, z. B. aus der Reihe „Sherlock Holmes – Neue Fälle“.

Der BLITZ-Blog hat Markus Winter in Remscheid besucht, wo er nicht nur sein Studio betreibt, sondern auch mit seiner Frau zusammen einen Laden für Hörspiele eröffnet hat.

BLITZ: Anhand welcher Kriterien wählst Du die Romane aus, aus denen Du ein Hörspiel machen willst?

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2012 erschien mit „Die Moriarty-Lüge“ die erste Folge der WinterZeit-Audio-Reihe „Sherlock Holmes Chronicles“

Winter: Bei den Romanen aus dem BLITZ-Verlag, die wir adaptieren, ist es eher umgekehrt. Jörg [Kaegelmann, BLITZ-Verleger] schlägt mir Serien vor – das meiste davon habe ich vorher gar nicht gekannt. Dann lese ich rein und entscheide, ob es mir gefällt oder nicht. Und dann stell ich mir die Frage: Kann man ein Hörspiel daraus machen? Dabei achte ich darauf: Wie viele Personen spielen mit? Wo spielt das? Kann man das gut vertonen, was die Geräuschkulissen und Sounds angeht? Bei „Sherlock Holmes“ habe ich anfangs alles genommen, was kam, habe aber festgestellt, dass diese fantastischen Sachen nicht angekommen sind. Es gibt ja viele Holmes-Pastiche-Geschichten mit übernatürlichem Einschlag. Die lehne ich mittlerweile ab, die möchte als Hörspiel kaum jemand hören. Jetzt nehme ich nur noch die klassischen Krimis. Ich lese dann kurz rein und entscheide: Ist das was für mich oder nicht.

BLITZ: Wie kann ich mir die Überarbeitung vorstellen? Du musst ja aus dem Prosatext ein Dialogbuch erstellen.

Winter: Das kommt ganz darauf an. Wir haben ja damals für den BLITZ-Verlag mit „Larry Brent“ angefangen, hatten da aber nur die Hörbuchrechte und nicht die Hörspielrechte. Da habe ich den kompletten Text genommen und einfach nur lesen lassen. Jörg Kaegelmann war begeistert von der Umsetzung, das Buch mit verteilten Rollen zu lesen. Danach haben wir den Holmes vertont und haben das am Anfang dort noch so ähnlich gemacht. Ich habe den Buchtext genommen und ein Skript daraus gemacht, es also erst mal umformartiert, auf Sprecher verteilt und fast komplett lesen lassen. Dann habe ich es gekürzt, sonst werden nachher acht CDs draus. Ich versuch es immer auf zwei CDs zu reduzieren. Unwichtiges fliegt raus, weil Autoren ja oft abschweifen. Ich habe es also zusammengekürzt, aber anfangs ansonsten nicht viel verändert. Mittlerweile schreibe ich die Buchvorlagen komplett um und mache richtige Dialoge daraus. Sehr oft ist es so, dass Watson Holmes seitenweise etwas erzählt und das ist im Hörspiel nicht besonders spannend, daher schreibe ich das um: Lass die Leute sich unterhalten, kürze das, mach die Sprache etwas natürlicher, so dass es wie eine richtige Unterhaltung klingt. Inhaltlich ändere ich meistens nichts, es sei denn, es ist ein logischer Fehler drin. Ich versuche jedenfalls, die Geschichte, die der Autor sich ausgedacht hat, so zu lassen wie sie ist. Er hat sich ja etwas dabei gedacht.

BLITZ: Dann kann es also passieren, dass Du einen Part aus dem erzählerischen Text in den Dialog übernimmst?

Winter: Das mache ich. Dass muss so sein, dann ist es einfach angenehmer zu hören. Es ist ja ein Hörspiel und kein Hörbuch.

BLITZ: Du arbeitest in Deinen Hörspielen ja immer mit einem klassischen Erzähler.

Winter: Ich finde das einfach schöner. Beim Film sieht man ja, was passiert. Beim Hörspiel bekommst Du das manchmal über die Geräusche alleine nicht transportiert. Wenn es in einer Szene nur Geräusche gibt, ist es schwierig, sich vorzustellen, was da passiert. Entweder führen die Leute dann Selbstgespräche, das finde ich extrem dämlich. Wenn jemand durch einen Raum geht und sagt: „Was sehe ich denn hier? Da steht eine Tür auf. Da muss ich mal schauen, was dahinter ist.“ Das klingt komisch, weil es nicht realistisch ist. Oder Du machst es mit zwei Leuten, das ist aber auch seltsam: „Guck mal da hinten, siehst Du die rote Tür?“ Da habe ich lieber einen Erzähler, der beschreibt, was passiert. Das finde ich schöner.

BLITZ: Nachdem Du dann das Dialogbuch geschrieben hast, wie überlegst Du Dir, welche Figur Du mit welchem Sprecher besetzt? Hast Du beim Schreiben schon jemanden im Kopf?

Winter: Meistens ja. Man schreibt das ja und hat dann den Charakter, die Rolle, sein Alter, wie man sich den als Typ vorstellt vor Augen und dann habe ich meistens schon einen Sprecher im Hinterkopf.

BLITZ: Viele der Sprecher sitzen oft in Berlin oder München, in den beiden Städten wird ja viel für Film und Fernsehen synchronisiert. Kommen die Sprecher dann für die Aufnahmen zu Dir?

Winter: Nein, das wird alles vor Ort gemacht. Ich muss da aber auch nicht hin. Ich sitze dann hier in meinem Studio und der Sprecher sitzt in Berlin im Studio und wir sind verbunden über Skype. Wir sehen uns, ich kann Anweisungen geben, das ist also alles wunderbar. So spare ich mir die Reisekosten und es ist auch deutlich weniger zeitaufwendig. 90% der Aufnahmen entstehen so.

BLITZ: Und wenn die Sprecher aus der Kölner Ecke kommen, dann macht Ihr die Aufnahmen hier?

Winter: Genau. Z. B. Tom Jacobs, der den Dr. Watson spricht, lebt in Köln und kommt dann in mein Studio nach Remscheid. Ein paar der Sprecher machen die Aufnahmen auch bei sich zuhause, die haben dann da Top-Mikros. Die brauchen so gar nicht ins Studio, die machen das dann bei sich und ich schalte mich dazu. Manche machen das auch ganz alleine, dann telefonieren wir kurz vorher und ich erkläre ihnen, wie ich mir die Rolle vorstelle und dann machen sie das nach meinen Vorgaben und schicken es mir und ich kann dann sagen: Der Teil gefällt mir, aber mach diesen Teil doch bitte nochmal neu.

BLITZ: Gibt es denn Paarungen, die Du doch lieber zusammen im Studio hast? Z. B. dass Holmes und Watson bestimmte Dialoge zusammen aufnehmen?

Winter: Das geht nicht. Unser Holmes, Till Hagen, kommt ja auch aus Berlin und das geht gar nicht, die beiden zusammenzukriegen. Da müssten sie schon beide hierher kommen. Man könnte sie natürlich in Köln und Berlin online verbinden, aber dann müssten sie zumindest am gleichen Tag Zeit haben. Ganz am Anfang habe ich mal eine Ensemble-Aufnahme gemacht, aber für mich ist das nichts. Da verspricht sich einer oder ein Part hat mir nicht gefallen, dann musst Du ja mit allen das Ganze nochmal machen. Das habe ich einmal gemacht und das war so zeitaufwendig, das rentiert sich nicht. Dafür bin ich ja als Regisseur dabei, um aufzupassen, und die meisten Sprecher sind so professionell, dass das nachher zusammenpasst. Unser Holmes und Watson sind sich, soweit ich weiß, noch nie persönlich begegnet, kennen sich aber über das gegenseitige Hören schon so gut, dass die genau wissen, wie es passt.

BLITZ: Jetzt hast Du ja bisher, auch bei Deinen Arbeiten für den BLITZ-Verlag, sehr verschiedene Genres bedient: Science Fiction mit „Raumschiff Promet“, aber auch Horror und eben die Detektivgeschichten mit „Sherlock Holmes“. Wie erzeugst Du jeweils die passende Atmosphäre zur Geschichte?

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Für die Geräuschkulisse einer Marktszene aus der ersten Folge der WinterZeit-Serie zum Rollenspiel „Das Schwarze Auge“ arbeitete Markus Winter mit 128 übereinanderliegenden Audiospuren.

Winter: Das machen vor allen Dinge die Geräusche. Die mache ich zu ca. 30 % selbst. Zeitungsrascheln, Schritte, Gläserklirren mache ich selbst oder manchmal sogar die Sprecher während der Aufnahme. Die anderen Geräusche stammen aus teuren Soundbibliotheken, die ich über die Jahre hinweg gekauft habe. Bei Science Fiction-Stoffen kommt dann natürlich alles aus so einer Bibliothek. Da gebe ich mir auch viel Mühe, damit die richtige Atmosphäre entsteht. Beim „Schwarzen Auge“ gibt es in der ersten Folge eine Szene, die spielt auf einem Marktplatz und die Geräuschkulisse von diesem Marktplatz hat 128 Audiospuren. 128 Geräusche übereinander! Karren, die über den Platz gezogen werden, Gänse, die über den Marktplatz laufen … da habe ich dann zwei Wochen nur an diesem Marktplatz gesessen. Die Arbeit nehmen die Hörer natürlich nicht wahr, die sagen dann nur: War ganz okay, der Marktplatz. Aber das ist natürlich sehr aufwendig. Beim Holmes ist es genauso. Da überlege ich, was mach ich da, um z. B. Soho akustisch in Szene zu setzen. Oder auch bei „Raumschiff Promet“. Wenn die Promet fliegt, sind das auch immer mehrere Spuren übereinander. Und die Musik macht natürlich einiges aus. Jede Serie hat ihre eigene Musik. Die Promet-Musik habe ich extra komponieren lassen, so 80er Jahre-Synthesizer-Musik, die etwas an „Captain Future“ erinnern soll. Der Holmes ist ja ganz klassisch. Ich nehme keine Musik aus der Konserve, sondern es wird wirklich für jede einzelne Folge, für jedes einzelne Hörspiel Musik komponiert. Der Musiker schreibt passend zur Szene Musik. Das macht einiges aus, denke ich.

BLITZ: Du komponierst aber auch viel selbst, oder?

Winter: Nicht mehr. Als ich angefangen habe, habe ich das alles selbst gemacht, aber da fehlt mir jetzt die Zeit. Ich habe zwei feste Komponisten die das machen.

Im zweiten Teil des Interviews werfen wir einen Blick in die Vergangenheit, auf Markus Winters Anfänge als Hörspielmacher, und in die Zukunft zur neuen Lovecraft-Reihe, die im Herbst bei WinterZeit Audiobooks startet.

Die Hörspiele von WinterZeit Audio können über den Online-Shop des Labels bestellt werden.