Nach „Sherlock Holmes und die indische Kette“ und „Sherlock Holmes und das Geheimnis von Rosies Hall“ hat Michael Buttler mit „Sherlock Holmes und der Sohn des Falschmünzers“ seinen dritten „Sherlock Holmes“-Roman beim BLITZ-Verlag veröffentlicht.
Auf dem vergangenen BuchmesseCon sprachen wir mit Michael Buttler über den Reiz der Figur Sherlock Holmes, aber warum ihm auch sein Assistent Dr. Watson sehr am Herzen liegt.
BLITZ: Michael, wie bist du zu „Sherlock Holmes“ gekommen? Was war dein erster Berührungspunkt mit dem Mythos?
Buttler: In der Schule habe ich mal eine „Sherlock Holmes“-Kurzgeschichte lesen müssen. Lange Zeit habe ich nicht mehr gewusst, welche das war. Als ich jetzt für meine Romane recherchiert habe, habe ich dann auch die Originalgeschichten gelesen und herausgefunden, dass das „Das gesprenkelte Band“ gewesen war, das ich in der Schule gelesen habe. Das hat mir damals wirklich nicht gut gefallen. Ansonsten hatte ich mit „Sherlock Holmes“ erst mal gar nichts zu tun, außer das, was man eben im Fernsehen und im Kino zu sehen bekommt. Zu den „Sherlock Homes“-Romanen gekommen bin ich dadurch, dass BLITZ-Verleger Jörg Kaegelmann Autoren für seine Reihen gesucht hat und da habe ich mich mit einem Ausschnitt aus meinen Goethe-Krimis beworben. Das hat ihm wohl gefallen und er hat gefragt, wofür ich denn schreiben möchte. Nach zwei/drei Mails wurde mir klar, dass für mich vorerst nur „Sherlock Holmes“ in Frage kommt. Danach habe ich mich erst mal einlesen müssen.
BLITZ: Du sagst, „Das gesprenkelte Band“ hat dir als Schüler nicht so gefallen. Hast du denn jetzt einen Favoriten unter den Geschichten von Sir Arthur Conan Doyle?
Buttler: Ja, natürlich. Die erste Kurzgeschichte, die mit Irene Adler: „Der Skandal in Böhmen“. Und von den Romanen: „Der Hund von Baskerville“.
BLITZ: Was, würdest du sagen, zeichnet die Figur des Sherlock Holmes aus?
Buttler: Ich halte Sherlock Holmes für jemanden, der sehr arrogant ist. Jemand, mit dem ich gar keinen Umgang pflegen wollte, wenn ich ihm begegnen würde. Ein sehr schwieriger Charakter. Das macht es mir aber fürs Schreiben so interessant, weil er auch viele verborgene Facetten hat. Er ist, trotz allem, was man über ihn weiß, immer noch recht geheimnisvoll und man kann sehr gut mit ihm spielen. Man kann ihn in Situationen versetzen und weiß nicht, was passieren wird.
BLITZ: Das heißt, du hast ein grobes Konzept im Kopf, wenn du einen Roman schreibst, aber die Figuren führen dich dann in bestimmte Richtungen?

Buttler: Ja, absolut. Dazu ein schönes Beispiel aus meinem neuesten „Sherlock Holmes“-Roman: Da ist auf einmal eine Person aufgetaucht, weil ich dachte, da fehlt noch jemand. Und diese Figur nahm plötzlich eine bedeutende Rolle an. Nicht unbedingt für den Fortlauf des Romans, aber vielleicht für die Leute, die sich mit „Sherlock Holmes“ etwas genauer beschäftigen, also für die Sherlockianer, wie sie sich selber nennen. Da habe ich auch ein wenig die Befürchtung, dass es da einen kleinen Aufschrei geben wird. Vielleicht habe ich da einen kleinen Frevel begangen, aber es hat mir Spaß gemacht. Also, es geht um die Familie von Sherlock Holmes, die ein bisschen im Dunkeln liegt, und da hab ich mal aus meiner Warte für ein wenig mehr Klarheit gesorgt.
BLITZ: Dr. Watson ist ja eine Figur, die eine Verbindung zwischen dem oftmals arrogant wirkenden Holmes und dem Leser herstellt. Findest du als Autor dich auch in der Figur des Watson wieder?
Buttler: Ja. Ich erzähle die Romane ja aus Watsons Perspektive und ich persönlich bin auch der Meinung, dass Watson in den Originalgeschichten eine viel zu geringe Rolle spielt. Da versuche ich ein bisschen gegenzusteuern. In den Originalen ist Watson meistens einfach nur so dabei. Man hat den Eindruck, er macht mit Steno seine Notizen, um das nachher irgendwie verarbeiten zu können, ansonsten hat er eigentlich keine Funktion bei den allermeisten Geschichten. Das finde ich immer sehr schade, denn auch die Figur des Watson hat Potenzial. Gerade bei meinem zweiten „Sherlock Holmes“-Roman spielt Watson eine etwas größere Rolle, besonders in der ersten Hälfte des Romans, und das ist auch sehr gut angekommen. Das habe ich bei den Lesungen und auch in den Rezensionen gemerkt.
BLITZ: Du hast bisher drei „Sherlock Holmes“-Romane veröffentlicht. Hast du selbst darunter einen Favoriten?

Buttler: Mein persönlicher Favorit ist immer noch die Nummer 1, „Sherlock Holmes und die indische Kette“. Ich habe drei verschiedene Herangehensweisen gewählt: Für den ersten habe ich ein historisches Ereignis gewählt, das ich mit „Sherlock Holmes“ verbunden habe. In meinem zweiten Buch, „Sherlock Holmes und das Geheimnis von Rosies Hall“, habe ich Phantasie und Schneegestöber gemacht. Das hat zwar scheinbar historische Hintergründe, die jedoch frei erfunden sind. Mit dem dritten Roman, „Sherlock Holmes und der Sohn des Falschmünzers“, habe ich mich relativ eng ans Original drangehängt. Der Ursprung des Buches ist eigentlich ein Nebensatz in einer Originalgeschichte von Conan Doyle. Als ich das damals las, dachte ich: Da lässt sich doch sicher etwas draus machen. Aber die Geschichte mit der Cholera-Epidemie in Hamburg im ersten Roman hat doch einige Facetten mehr, muss ich ehrlich zugeben. Da spielen mehrere Dinge ineinander, auch was die Kinder angeht, die ja das Äquivalent zur Baker-Street-Bande sind. Die Waisen, die nach der Cholera-Epidemie ihre Eltern verloren haben, und dann in zwei verfeindeten Gruppen versuchen, über die Runden zu kommen. Das gibt dem Ganzen etwas Besonderes und macht die Geschichte facettenreicher.
BLITZ: Wie tastest du dich an einem Roman in einem historischen Setting heran, wie hier im Hamburg des 19. Jahrhunderts? Ist das viel Recherchearbeit?

Buttler: Erstmal überlege ich mir ein Thema, dann recherchiere ich dazu. Und als ich über die Cholera-Epidemie las, hatte ich gerade erst ein paar der Originalgeschichten gelesen und stellte mir Dr. Watson mit aufgekrempelten Ärmeln vor, wie er hifsbereit mitmischt und die Kranken versorgt. Und dann musste ich feststellen: Pfeifendeckel. Das geht nicht. Die Cholera-Epidemie war 1892 und Sherlock Holmes war 1891 bis 1894 verschwunden. Er hätte alleine in Hamburg sein können, inkognito, weil er ist ja angeblich damals um die Welt gereist ist, aber da hätte mir dann Dr. Watson gefehlt. Daher habe ich das Ganze zwei Jahre in die Zukunft gelegt. Dann konnte ich natürlich nicht mit der Cholera-Epidemie, wohl aber mit deren Auswirkungen arbeiten. Das kommt dabei raus, wenn man sich erst mal Gedanken macht und keine Ahnung vom Original hat. Ich habe dann weiter recherchiert und vieles übernommen, was ich so an Informationen bekommen habe. Ich wollte nicht nur, dass die Leser eine spannende Kriminalgeschichte zu lesen bekommen, sondern auch etwas über die Zustände von damals erfahren.
BLITZ: Hast du das alles selbst recherchiert oder hast du auch mit Sherlockianern gesprochen?
Buttler: Das habe ich selbst recherchiert. Aber ich kaufe mir relativ regelmäßig zwei Publikationen, die von den Sherlockianern herausgegeben werden: Den „Baker Street Chronicle“ und „Das Sherlock Holmes Magazin“ mit Artikeln über Sherlock Holmes und über die damalige Zeit. Das finde ich sehr interessant und da bekomme ich den einen oder anderen Impuls.
BLITZ: Vor den „Sherlock Holmes“-Romanen hast du zwei Goethe-Krimis geschrieben. Hast du davor auch aufwendig recherchieren müssen?
Buttler: Ja, einen für den Verlag „Saphir im Stahl“ und einen für „Bookshouse“. Die beiden Romane hängen aber nicht aneinander. Natürlich kommen Goethe und Weimar vor, aber die Geschichten sind nicht direkt miteinander verbunden. Da habe ich auch viel recherchiert. Für dieses Thema kann man auch besser recherchieren. Damals hatte ich so viel für den ersten Roman zusammengetragen, dass es noch für zwei, drei weitere gereicht hätte. Aber nach dem zweiten habe ich gedacht, jetzt musst du mal etwas anderes machen.
BLITZ: War Goethe immer schon dein Steckenpferd oder hat sich deine Autorenschaft da irgendwie ergeben?
Buttler: Das hat sich so ergeben. Ich bin Mitglied bei der Autorengruppe „Die Geschichtenweber“ und wir hatten damals eine Anthologie namens „Die Formel des Lebens“ im Wurdack Verlag herausgebracht, bei der die Geschichten aber alle miteinander zusammenhängen. Ich hatte darin die Aufgabe, eine Geschichte zu schreiben, die im 19. Jahrhundert spielt. Da habe ich dann geguckt: Worüber könnten die Leute sich unterhalten; und stieß erst mal auf die Geschichte mit dem Zwischenkieferknochen, den Goethe ja entdeckt hat, die Verbindung zwischen Affe und Mensch. Und dann habe ich mich immer mehr dafür interessiert und habe mich weiter eingelesen. Und irgendwann dachte ich: Jetzt hast du genug Material, jetzt fällt dir auch etwas zu Goethe ein.
BLITZ: Was planst du für die Zukunft? Wird es einen vierten „Sherlock Holmes“-Roman von dir geben?
Buttler: Ich plane nicht so sehr weit im Voraus, weil ich auch relativ lange brauche, bis ein Buch fertig ist. Ich schreibe aber jetzt gerade an dem vierten Buch, das wird eine Kurzgeschichtensammlung. Am Anfang meiner Romane ließ ich Watson immer an irgendwelchen Manuskripten schreiben und die haben immer ganz abgedrehte Titel. „Die Madame mit den schwarzen Beinen“ oder „Sherlock Holmes und die rosa Kaninchen“ oder sowas. Und dann habe ich mir irgendwann gesagt: So, jetzt hast du dir die Suppe eingebrockt, jetzt musst du sie auch auslöffeln. Jetzt versuche ich mir zu diesen Titeln, die ich mir in irgendeinem Wahn ausgedacht habe, etwas einfallen zu lassen und etwas zu schreiben. Die zweite Geschichte ist letztes Wochenende fertig geworden, es scheint also zu funktionieren. Das ist schon spannend, sich auf das einzulassen, was man sich selber eingebrockt hat.
BLITZ: Einer deiner bisherigen „Sherlock Holmes“-Romane ist auch schon als Hörspiel erschienen. War es für dich spannend zu hören, wie deine Figuren akustisch zum Leben erweckt werden?
Buttler: „Die indische Kette“ ist unter dem Titel „Der verbrauchte Talisman“ als Hörspiel erschienen. Als ich das zum ersten Mal gehört habe, saß ich mit offenem Mund vor meinem Abspielgerät. Bei einer Lesung lese ich immer mit verstellten Stimmen. Jede Person hat seine eigene Stimme, um das Ganze ein bisschen aktiver zu gestalten. Und wenn einer eine Ohrfeige bekommt, klatsche ich in die Hände oder schlag mir auf den Oberschenkel. Und dann besonders die Szenen, die ich in meinen Lesungen lese, zu hören, wenn sie von den Profis gesprochen werden, das war schon total spannend. Ich denke, da werde ich mir ein bisschen etwas abschauen für die nächsten Lesungen.
BLITZ: Vielen Dank für das Gespräch.
Buttler: Ich danke für das Interesse.
Alle drei „Sherlock Holmes“-Romane aus der Feder von Michael Buttler, „Sherlock Holmes und die indische Kette“, „Sherlock Holmes und das Geheimnis von Rosies Hall“ und „Sherlock Holmes und der Sohn des Falschmünzers“, sind im Shop des BLITZ-Verlags erhältlich.